Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt in der Steuer- und Handelsbilanz

Der BFH hat im April 2015 entschieden, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigem Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, steuerlich zu einer Ausbuchung der Schuld führt.

Interessant an dieser Entscheidung ist auch, dass der Wegfall der Schuld, soweit er auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht, als steuerlicher Einlagevorgang gesehen wird, wodurch eine gewinnerhöhende Ausbuchung der Schuld in der Krisensituation des Unternehmens vermieden wird.

Für die Passivierung einer mit Rangrücktritt versehenen Verbindlichkeit in der Handelsbilanz gilt dies jedoch keinesfalls:

Im handelsrechtlichen Jahresabschluss sind Schulden mit ihrem Erfüllungsbetrag zu passivieren, solange die Schuld rechtlich nicht weggefallen ist. Dies wurde auch nochmals durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz konkretisiert, in dem es für die Passivierung einer Schuld in der Handelsbilanz gem. § 246 Abs. 1 Satz 3 HGB allein auf die rechtliche Verpflichtung ankommt. Ein Ausbuchen der Schuld würde des Weiteren auch gegen den Vollständigkeitsgrundsatz der Handelsbilanz verstoßen. Denn durch einen Rangrücktritt fällt die Schuld nicht weg, sondern sie schließt zunächst nur die Geltendmachung aus.

Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten

Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 249 Absatz 1 Satz 1 HGB in Verbindung mit § 5 Absatz 1Satz 1 EStG in Handels- und Steuerbilanz sind nach Auffassung der Finanzverwaltung gemäß Richtlinie 5.7 Absatz 2 ESt-Richtlinie 2012:

  1. Verbindlichkeit gegenüber einem anderen oder einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung,
  2. zum Stichtag liegt Ungewissheit hinsichtlich Grund und/oder Höhe vor,
  3. die Verpflichtung ist vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht,
  4. mit einer Inanspruchnahme aus der ungewissen Verbindlichkeit ist ernsthaft zu rechnen,
  5. die Aufwendungen führen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut.

Dem I. Senat des BFH genügte es bereits in der Vergangenheit zur Bildung einer Rückstellung, dass eine wirtschaftlich noch nicht zum Bilanzstichtag verursachte Verpflichtung am Bilanzstichtag aber bereits rechtlich zum Stichtag entstanden ist. Dies sah der IV. Senat des BFH anders und forderte nach wie vor stets die wirtschaftliche Verursachung als Voraussetzung der Rückstellungsbildung.

Nunmehr sind 2013 zwei weitere Entscheidungen des I. Senats (BFH-Urteil vom 06. Februar 2013) und des IV. Senats (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2013) zu dieser Problematik ergangen.

Im Ergebnis sind sich die Senate nun einig, dass eine Rückstellungsbildung bereits zu erfolgen hat, wenn die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag rechtlich entstanden oder wirtschaftlich verursacht ist.

Es besteht zwar nunmehr darüber Einigkeit, dass allein durch das Entstehen einer Verpflichtung zum Bilanzstichtag auch ohne wirtschaftliche Verursachung zu diesem Zeitpunkt Rückstellungen zu bilden sind. Der Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens wurde aber mit den Urteilen nach hinten auf den Fristablauf verlagert, sodass nunmehr immer erst ab diesem Zeitpunkt eine wirtschaftliche Verursachung eintreten kann.

Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf die BFH-Urteile reagiert.